Die Sprache ist die natürlichste Kommunikationsform des Menschen. Besonders im sozialen Umgang ist dies tief verankert. Daher verwundert es nicht, dass die Verbreitung der Sprachassistenten kontinuierlich zunimmt. Wir gehen davon aus, dass bis 2020 über 50 Prozent der Suchanfragen durch einen Sprachbefehl gegeben werden.
Einen mobilen Sprachassistenten hat beinahe jeder von uns schon jetzt in der Tasche immer dabei: Sei es Siri bei Apples iOS oder die Google-Anwendung bei Android. Jeder fünfte amerikanische Haushalt besitzt mittlerweile zusätzlich einen stationären Assistenten wie Alexa von Amazon oder Google Home. Nicht mehr lange und dies ist auch bei uns der Fall.
Die digitale Kommunikation wird sich in den nächsten Jahren wandeln. Das gewohnte Kommunikationsmittel Sprache wird bereits bei Messagingdiensten wie WhatsApp stark genutzt. Sprachassistenten überzeugen durch ihre einfache Handhabung.
Vorteile für den Nutzer des Sprachassistenten ^
- Einfache Nutzung: Es werden keine Vorkenntnisse oder ein tiefergehendes Wissen benötigt. Mit dem richtigen Sprachbefehl kommt jeder schnell ans Ziel.
- Handfreiheit: Besonders im Auto bieten Sprachassistenten einen hohen Komfort und Sicherheit.
- Recherche: Sprachassistenten übernehmen die Informationssuche und präsentieren eine Auswahl an passenden Informationen oder Produkten.
Für Unternehmen stellt sich nun die Frage, wie diese den Voice-Trend nutzen. Besonders das Marketing der Unternehmen wird durch die Sprachassistenten beeinflusst werden. Neue Anforderungen an Strategien, Technologien und Kompetenzen entstehen. Aus den Vorzügen der Sprachassistenten für den Nutzer entstehen schnell Herausforderungen für die Marketingverantwortlichen.
Herausforderungen für das Marketing ^
- Gatekeeper: Es existiert noch keine nennenswerte Konkurrenz zu Amazon und Google. Sie können den Zugang sowie Konditionen und Preise z.B. für Werbung auf ihren Geräten und Lösungen bestimmen.
- Starke Fragmentierung: Es werden sich hoch spezifische Zielgruppen bilden, da jeder einen Sprachassistenten ohne viel Vorwissen bedienen kann.
- Auffindbarkeit: Der Konsument nimmt höchstens die Top 2 bis 3 Suchergebnisse in der auditiven Welt aktiv wahr – der Wettbewerb um die obersten Positionen verschärft sich. Bei allgemeinen Schlagworten zu ranken, wird schwerer und wahrscheinlich teurer.
- Ranking: Es stellt sich außerdem die Frage, wie ein solches Ranking zustande kommt. Wie wird das Verhältnis zwischen Nutzerpräferenzen und käuflicher Rangposition aussehen?
Sprachassistenten sind am Informations- und Kaufentscheidungsprozess des Verbrauchers maßgeblich beteiligt und sie lassen neue Touchpoints entstehen. Diese Neuerung wird zur Veränderung der Customer Journey führen. Dies wird durch das folgende Beispiel deutlich.
Customer Journey mit und ohne einen Sprachassistenten ^
Freitag morgens um kurz nach sieben. Anstatt des ruhigen Frühstücks herrscht bereits Chaos – die Lampe im Badezimmerschrank ist kaputt und für die Töchter in Teenager-Alter ist es unmöglich, sich im Halbdunklen für die Schule fertig (schön) zu machen. Die Arbeit kommt dazwischen und der verantwortungsvolle Vater ist erst am Samstag in der Lage, sich um die Katastrophe im Bad zu kümmern. Ein Blick genügt und es ist klar: Die Lampe ist der Übeltäter!
Der Weg führt in den nächsten Baumarkt und der Ersatz ist schnell gefunden. Doch zu Hause entpuppt sich die neue Lampe ebenfalls als nicht funktionstüchtig. Also zurück in den Baumarkt.
An der Servicestelle folgt dann die Ernüchterung: Die neue Lampe ist intakt, das Problem muss woanders liegen. Auf den ratlosen Blick des Vaters hin bietet der Mitarbeiter eine Lösung an: der Trafo. Welches Modell ist denn im Badezimmerschrank eingebaut? Wieder zurück nach Hause.
Mit Hilfe sämtlicher Heimwerker-Fähigkeiten wird der kaputte Trafo aus dem Badezimmerschrank ausgebaut und zur Überprüfung in den Baumarkt gebracht. Der Trafo ist eindeutig defekt, ein neuer zum Glück auf Lager und nun kann endlich das Licht im Badezimmerschrank repariert werden. Die Töchter sind begeistert …
Wie wäre der Prozess mit einem Sprachassistenten?
Mit einem Sprachassistenten stände dem Vater ein Helfer zur Seite, der bereits bei der Informationsgewinnung unterstützt und den zeitlichen Aufwand für die Reparatur deutlich reduziert. Nachdem die Töchter während des Frühstücks unmissverständlich auf das Problem aufmerksam gemacht haben, wird der Sprachassistent zu Rate gezogen.
Vater: „Das Licht im Badezimmerschrank ist defekt. Woran kann das liegen?“
Assistent: „Dafür kann es verschiedene Ursachen geben. Die häufigsten Probleme werden durch die Lampe oder den Trafo verursacht.“
Vater: „Ok, wo ist der nächste Baumarkt?“
Assistent: „Der nächste Baumarkt ist der Heimwerkertraum in der Baumarktstraße 1. Die Öffnungszeiten sind von 8 Uhr bis 22 Uhr. Soll ich die Verfügbarkeit der Produkte im Voraus überprüfen? Dann schicke mir bitte ein Foto der benötigten Produkte.“
Vater: Schickt zwei entsprechende Bilder an den Sprachassistenten
Assistent: „Eine Lampe des Modells E123 und ein Trafo der Marke X sind verfügbar und auf Lager.“
Noch am selben Abend fährt der Vater mit Lampe und Trafo zum Baumarkt. Bei der Überprüfung der beiden Bauteile stellt der Mitarbeiter fest, dass der Trafo defekt ist. Ein Ersatz ist vor Ort verfügbar und kann gleich mitgenommen werden. Das Licht funktioniert wieder.
Beispielhafte Veränderungen, die wir für das Marketing erwarten ^
- Sprache als Kommunikationsmittel erfordert neue Kompetenzen für die richtige Wahl der Tonalität, des Sprechers und der Audiosequenzen – der auditive Charakter der Marke muss entwickelt werden
- Kompetenzen im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind notwendig, um Fragen des Kunden mit dem verfügbaren Content zu verbinden.
- Die User Experience auf der Webseite verliert an Bedeutung, wenn sie sich nicht in Richtung der neuen audiovisuellen Anforderungen entwickelt.
- Der bereitgestellte Content wird sich in seiner Struktur, Form etc. wandeln – dies erfordert wiederum von den Herstellern, den geforderten Content zu liefern.
- Die Konsistenz der gesamten Customer Journey wird wichtig – wie im Beispiel zu sehen ist, werden Informationen von zu Hause aus abgefragt, die am POS bereitgestellt und verfügbar sein müssen.
- … und noch vieles mehr an das wir heute noch nicht denken.
Wir stehen vor einem neuen Entwicklungssprung im digitalen Wandel und werden im Rückblick die Entwicklung als selbstverständlich empfinden.
Autor: Ralf Strehlau, Geschäftsführer der ANXO Management Consulting GmbH, Frankfurt / M. und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater e. V. (BDU). www.anxo-consulting.com
Quelle: E-Mail Marketing Forum vom 13. März 2019