Besonders progressive Marktauguren waren und sind weiterhin der Auffassung: der klassische stationäre Handel habe keine Überlebenschance. Online sei einfach das Maß aller Dinge! Und wie passt dieses Todesurteil mit der nachfolgenden Meldung zusammen? Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg liebäugle gerade der Vorzeige-Onliner Amazon, Ladengeschäfte in den USA zu eröffnen. Erster Schritt dazu sei die Übernahme von Filialen der angeschlagen Kette Radio Shack.
Die US-Einzelhandelsinstitution für Consumer Electronics mit rund 4.000 Outlets weltweit meldete nach einer langen Phase roter Zahlen letzten Freitag Insolvenz an, unterwarf sich dem berühmt berüchtigten Chapter 11. Über die naheliegende Motivation, Filialen von Radio Shack zu übernehmen, mutmaßt das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom 4. Februar wie folgt: „Amazon könnte die Läden nutzen, um eigene Produkte (z. Bsp. den Kindle, Anm. der Redaktion) anzubieten. Zudem könnten Onlinekunden, die im Internet bestellte Ware dort abholen oder zurückgeben.“
Amazon auf dem Weg zum „Click & Collect?“ Ein erster Versuch mit einem Pop-Up-Store zu Weihnachten in Manhattan hatte sich wohl zerschlagen. Doch aktuell wurde bekannt, auf dem Campus der Purdue-Universität im Bundesstaat Indiana unterhält Amazon bereits eine Pick-Up-Location. Also doch, zumindest im Ansatz: Das Beste aus den beiden Welten findet Einzug bei Amazon.
Die Verbundgruppe expert integriert bereits beide Welten. Der Online-Auftritt steht seit einigen Wochen und Vorstandsvorsitzender Volker Müller ist überzeugt, „dass dieses ganz erfolgreich ist.“ So seine Einschätzung anlässlich der expert Frühjahrstagung Anfang Februar. An selber Stelle verkündete er auch, demnächst weitere 11 Technical Superstores zu eröffnen, eindeutiges Signal der Zuversicht ins stationäre Handelsgeschehen.
Expert Konkurrent Media-Saturn hat eine andere Sichtweise. Im Handelsblatt-Interview vom 29. Januar 2015 gibt Pieter Haas, stellvertretender Vorsitzender der MSH-Holding Geschäftsführung, die Marschroute für die MSH-Gruppe mit den Worten vor: „Langfristig wird ein Fünftel des gesamten Handels übers Internet stattfinden. Ich bin überzeugt, das auch wir (d.h. die MSH. Anm. der Redaktion) einen Anteil von bis zu 20 Prozent erzielen werden.“ In Summe bedeutet dies für die MSH einen Online-Gruppenumsatz von rund 4,2 Milliarden Euro, auf Deutschland untergebrochen etwas mehr als 1,9 Milliarden Euro. Nicht schlecht Frau Specht! Wahrlich eine herausfordernde Größe.
Folgerichtig fragt das Handelsblatt weiter: „Rollen die Märkte ins Abseits?“ Im Gegenteil, so Haas und führt aus: „Wir arbeiten an neuen Konzepten, um die Kunden besser an uns zu binden. Denkbar wäre etwa eine Datenbank, in der unsere Käufer einwilligen, all ihre Produkte zu hinterlegen. Dann können wir ihnen stets helfen, wenn sie Unterstützung brauchen. (…) Wir könnten sie beim Smart Home begleiten, damit sie all die Geräte vernetzen können. Schließlich gibt es da tausend Standards.“
Mit den Worten „Ja, wir wären dann so eine Art Leuchtturm in der Elektronikwelt, wir wären immer und überall für den Kunden da“, gibt Haas seine MSH-Vision für den stationären Bereich wie auch für das Online-Business im Handelsblatt preis.
Amazon, expert wie auch Media-Saturn wären natürlich gern die ungekrönten Leuchttürme, die ersten Adressen, einfach die Magneten für die Kunden. Die Strategien, um dieses Ziel zu erreichen sind – wie wir gesehen haben – so unterschiedlich wie sie nur sein können. Amazon denkt erneut über Ladengeschäfte nach, expert sieht sein Heil darin, den Mitgliedern übers Internet verstärkt Kunden zuzuführen und die Media-Saturn Gruppe setzt auf ein hohes Online-Engagement unter klarer Einbindung der Märkte – perfektes Multichannel als eierlegende Wollmilchsau! Welche Strategie zieht, ist erfolgreich, ist die richtige? Offline? Online? Die Kombination bzw. Perfektion aus beiden Welten? Leider gilt auch hier die alte Binsenwahrheit: Erst am Ende wird abgerechnet!
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